Corrida im Toskana-Stübli!
Auf in den Kampf, Torero! Heute ist der Tag, den ich herbeigesehnt habe, heute ist es endlich soweit. Es gibt kein Zurück mehr; aus deinem staubigen Verlies entlassen, stehst du nun vor mir mit deiner ganzen Etikettenpracht – stolzer Vertreter deiner Zunft.
Picador, walte deines Amtes! Dreh den Korken raus, aber sei vorsichtig, nicht mehr gar so jung ist er, und allzuschnell ist ein Malheur geschehen. Was das Trinken einer Flasche Wein mit einem Stierkampf verbindet, ist das Wissen der Endgültigkeit. Ueber dem Weg dorthin schwebt ständig die Möglichkeit zum Chaos, das verbindende Element ist der Charakter und die Choreographie der Zeremonie.
Das Eingiessen geschieht behutsam, aber nicht zögerlich. Wie die Aufgabe des Banderilleros, der die Revivadores, die mit Widerhaken versehenen Stabpaare aufsetzt, erfordert es Fingerspitzengefühl – jede falsche Bewegung kann einen ins Unglück stürzen.
Nun, Torero, ist es soweit. Toro, deine letzte Stunde hat geschlagen. Ich führe das Glas zur Nase und tauche ein in ein Potpourri von Farben, Stimmen, Gerüchen, Klänge, Hitze, Schweiss. Mit einer eleganten Bewegung schwenke ich das Glas wie der Matador die Muleta. Komm, du stolzer Stier, besiege den Schmerz, stürm los und kämpfe mit mir!
Du willst mich verwirren mit deinem betörenden Blumenduft, der anfangs von Veilchen dominiert wird, doch schon recht bald von verwelkten Rosen verdrängt wird. Verführen und Täuschen – wie beim Tanzen, zu den melancholischen Klängen eines Paso doble.
Und jetzt also ist er gekommen, der letzte und wichtigste Akt, wo darüber entschieden wird, ob du nach deinem Tod unsterblich sein wirst, ob Jubel die Arena beziehungsweise das Toskanastübli erfüllt, ob du in die Geschichte eingehst oder als gewöhnlicher Stier aus der Arena gezogen beziehungsweise als gewöhnliche Flasche entsorgt wirst.
Für heute, stolzer Stier, hast du noch einmal Glück gehabt. Doch nächsten Donnerstag geht es dir an den Kragen, das verspreche ich dir!